Kommentar
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978-3-8145-8700-4
Kübler/Prütting/Bork/Jacoby (Hrsg.), InsO: Kommentar zur Insolvenzordnung
2015
Artikel 22
Eintragung in öffentliche Register
(1) Auf Antrag des Verwalters ist die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 in das Grundbuch, das Handelsregister und alle sonstigen öffentlichen Register in den übrigen Mitgliedstaaten einzutragen.
(2) 1Jeder Mitgliedstaat kann jedoch die obligatorische Eintragung vorsehen. 2In diesem Fall hat der Verwalter oder jede andere hierzu befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet wurde, die für diese Eintragung erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Literatur: Bierhenke, Der ausländische Insolvenzverwalter und das deutsche Grundbuch, MittBayNot 2009, 197; Hanisch, Das Recht grenzüberschreitender Insolvenzen: Auswirkungen im Immobiliensektor, ZIP 1992, 1125; Reinhart, Die Bedeutung der EuInsVO im Insolvenzverfahren – Besonderheiten paralleler Eröffnungsverfahren, NZI 2009, 201; Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, 1997, S. 32 (zit.: Erläuternder Bericht).
Übersicht
I. Normzweck II. Anwendungsbereich III. Antragsrecht des Verwalters (Abs. 1) IV. Obligatorische Eintragung (Abs. 2)I. Normzweck
1Die Anerkennung und Wirkungserstreckung eines Hauptinsolvenzverfahrens in den anderen Mitgliedstaaten setzt nicht die Eintragung der Insolvenzeröffnungsentscheidung in den Registern dieser Mitgliedstaaten voraus und kann sie auch nicht zur Bedingung machen. Allerdings ist eine solche Eintragung für den Wirtschaftsverkehr von erheblicher Bedeutung, da die Beteiligten vor anfechtbaren Rechtsgeschäften geschützt werden. Andererseits bedeutet die Eintragung in allen Mitgliedstaaten auch einen Schutz des gutgläubigen Erwerbers, solange das Grundbuch oder vergleichbare Register keinen Insolvenzvermerk enthalten. Art. 22 enthält das Instrumentarium für diese Schutzgewährleistung: Absatz 1 normiert ein Antragsrecht des Verwalters für Registereintragungen in den anderen Mitgliedstaaten. Absatz 2 eröffnet die Option für die Mitgliedstaaten, eine obligatorische Eintragung vorzusehen (Art. 21 Abs. 1 Diese Vorschrift ist eine Sachregelung, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar wirkt.
II. Anwendungsbereich
2Art. 22 gilt nur für das Hauptinsolvenzverfahren nach Art. 3 Abs. 1. Für Partikularverfahren ist eine Möglichkeit zur Registereintragung in anderen Mitgliedstaaten nicht geboten: Diese Verfahren beschränken sich auf das Vermögen des Schuldners im Staat der Verfahrenseröffnung.
III. Antragsrecht des Verwalters (Abs. 1)
3Absatz 1 regelt das Antragsrecht des Verwalters, die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens1 in das Grundbuch, das Handelsregister und alle sonstigen öffentlichen Register in den anderen Mitgliedstaaten einzutragen.2 Unter den Begriff des Verwalters fällt der in der Definition des Art. 2 Buchst. b genannte Personenkreis.3 Das Recht des Verwalters kann im Einzelfall von den zuständigen Stellen des Eintragungsstaats nicht bestritten werden. Für den Nachweis seiner Verwalterstellung gilt § 19.
4Es werden alle öffentlichen Register von der Vorschrift erfasst, die die Mitgliedstaaten kennen („alle sonstigen öffentlichen Register“). Für den Begriff des „öffentlichen Registers“ kann Art. 2 Buchst. g herangezogen werden, der den Begriff ebenfalls verwendet. Danach erfasst dieser Begriff sowohl Register, die privat organisiert sind, als auch Register, die von der öffentlichen Hand geführt werden. Öffentlich ist ein Register stets dann, wenn es für die Öffentlichkeit zugänglich ist.4 Im Regelungszusammenhang des Art. 22 dürfte die Informationsfunktion des Registers ausreichen.5
5Absatz 1 trifft keine Regelung über die Befugnis des Verwalters, diese Registereintragungen vorzunehmen.6 Dies ergibt sich aus der lex fori concursus. Dagegen bestimmen sich nach dem Recht des Staates, in dem das Register geführt wird, die Voraussetzungen für die Registereintragung, die Zuständigkeit der Stelle, das Verfahren und der Inhalt der Registereintragung.7 Mindestinhalt ist nach Absatz 1 allerdings die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens. Unterscheidet sich der Inhalt der Eintragung nach dem Insolvenzstatut und dem Recht des Staats, in dem das Register geführt wird, so hat im letzteren Staat eine Eintragung zu erfolgen, die derjenigen des Eröffnungsstaats am nächsten kommt (Anpassung).8
6Um die Eintragung in allen Mitgliedstaaten zu erreichen, in denen Vermögen des Schuldners belegen ist, muss der Verwalter in all diesen Mitgliedstaaten einen Antrag auf Eintragung stellen. Der Verwalter kann die Veröffentlichung unmittelbar bei den zuständigen Stellen erwirken. Er ist nicht auf die Einhaltung der Rechtshilferegeln angewiesen. Der Verwalter hat bei seinem Handeln die erforderliche Sorgfalt anzuwenden. Gegebenenfalls macht er sich bei einer Pflichtverletzung entsprechend dem Insolvenzstatut schadensersatzpflichtig.9
7Das Antragsrecht des Verwalters nach Absatz 1 derogiert nicht ein etwaiges nach der lex fori concursus bestehendes Recht des Gerichts der Verfahrenseröffnung, selbst die öffentliche Bekanntmachung in die Wege zu leiten.10
8Nach Art. 102 § 6 Abs. 1 EGInsO ist in Deutschland die zuständige Stelle für die Eintragung das örtlich zuständige Gericht nach Art. 102 § 1 EGInsO. Dieses ersucht die registerführende Stelle um Eintragung.11 Ein Antrag des Verwalters unmittelbar beim Grundbuchamt ist für den ausländischen Verwalter ausgeschlossen. Art. 102 § 6 Abs. 3 EGInsO schreibt ausdrücklich die Pflicht zur Anpassung vor.
IV. Obligatorische Eintragung (Abs. 2)
9Die Vorschrift eröffnet den Mitgliedstaaten die Option, die Eintragung der Verfahrenseröffnung jeweils obligatorisch vorzusehen. Dieser Regelung müssen die Mitgliedstaaten durch einzelstaatliche Umsetzung nachkommen. Sofern die Mitgliedstaaten eine derartige Regelung treffen, hat der Verwalter die für die Eintragung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Wesentlich ist die Information der zuständigen Stelle des Mitgliedstaats, in dem Vermögen des Schuldners belegen ist. Bei Verletzung der Veröffentlichungspflicht durch den Verwalter haftet er entsprechend den Vorgaben der lex fori concursus.12
10Nur für den Sonderfall der Eröffnung der Insolvenz einer ausländischen Hauptniederlassung, die eine deutsche Niederlassung hat, erfolgt von Amts wegen die Eintragung der Verfahrenseröffnung in das Handelsregister (§ 13d Abs. 3 i. V. m. § 32 HGB). Ansonsten hat Deutschland von der Option keinen Gebrauch gemacht.
- 1
- 1)Reinhart, NZI 2009, 201, 203, der die Anwendung der Vorschrift auch auf vorläufige Sicherungsmaßnahmen ausdehnen will.
- 2
- 2)Smid/Smid, InsO, 2. Aufl., Art. 22 EuInsVO Rz. 7.
- 3
- 3)KPB/Kemper, Art. 2 Rz. 6.
- 4
- 4)KPB/Kemper, Art. 2 Rz. 17.
- 5
- 5)MünchKomm-Reinhart, InsO, 2. Aufl., Art. 22 EuInsVO Rz. 4.
- 6
- 6)Bierhenke, MittBayNot 2009, 197, 199; a. A. MünchKomm-Reinhart, InsO, 2. Aufl., Art. 22 EuInsVO Rz. 10.
- 7
- 7)MünchKomm-Reinhart, InsO, 2. Aufl., Art. 22 EuInsVO Rz. 9; Wimmer/Wenner/Schuster, InsO, 5. Aufl., Anhang 1 nach § 358, Art. 22 EuInsVO Rz. 5.
- 8
- 8)Duursma-Kepplinger/Chalupsky, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO, Art. 22 Rz. 8; Wimmer/Wenner/Schuster, InsO, 5. Aufl., Anhang 1 nach § 358, Art. 22 EuInsVO Rz. 5; vgl. zur Gesamtproblematik Hanisch, ZIP 1992, 1125, 1127.
- 9
- 9)MünchKomm-Reinhart, InsO, 2. Aufl., Art. 22 EuInsVO Rz. 19.
- 10
- 10)Nr. 182 des Erläuternden Berichts, S. 32, 96; Gruber, in: Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, EuInsVO, Art. 21 Rz. 9.
- 11
- 11)Zur Unvereinbarkeit mit der Verordnung siehe MünchKomm-Reinhart, InsO, 2. Aufl., Art. 22 EuInsVO Rz. 10.
- 12
- 12)Wie hier MünchKomm-Reinhart, InsO, 2. Aufl., Art. 22 EuInsVO Rz. 19.